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Kreis Kleve – Enge Weggefährten der Wirtschaftsförderung Kreis Kleve wissen es längst: In diesen Tagen hätte die Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing Deutschland, kurz bcsd, in Ahaus im Kreis von Fachleuten über die Chancen und Gefahren für unsere Innenstädte diskutiert, überschrieben mit „Zeit für Stadtoptimisten“. Bedingt durch Corona und die Folgen wurde das Treffen abgesagt. Im Vorfeld allerdings gab es auf der Frequenz von Antenne Niederrhein im sonntäglichen „Forum Kreis Kleve – Das Wirtschaftsförderungsradio“ – jede Woche um neun – ebenso informative wie motivierende Beiträge zum Thema Stadtmarketing. Sehen Sie, was es zu hören gab. Auch eine wichtige Botschaft der Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing Deutschland: „Die Immobilieneigentümer sind fast die Wichtigsten“. 

 

Interview Jan Düngel, Redakteur bei Antenne Niederrhein und Hans-Josef Kuypers, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Kreis Kleve:

Antenne Niederrhein: Herr Kuypers, wie ist es denn momentan um unsere Innenstädte bestellt?

Kuypers: Diese Frage stellt sich natürlich jedes Kreisgebiet, jede Stadt und Gemeinde, auch jeder für die Wirtschaftsförderung Tätige. Wir alle sorgen uns, um das ganz offen zu sagen, um die Anziehungskräfte unserer Innenstädte, unserer Gemeinden, unserer Gemeindezentren. Und vor dem Hintergrund ist es uns wichtig, auf eine Veranstaltung hinzuweisen, die wirklich sehr viele Antworten hätte geben können. „Zeit für Stadtoptimisten“ ist sie überschrieben und befasst sich damit, wie wir unsere Stadtzentren lebendig halten. Und kein geringerer als die Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing Deutschland e.V. steht hinter dieser Veranstaltung. Leider ist auch diese Veranstaltung Corona zum Opfer gefallen.

Antenne Niederrhein: Im kommenden Jahr ist hier bei uns eine Veranstaltung geplant.

Kuypers: Herr Düngel, Danke, dass Sie darauf hinweisen. Wir sind mit etwa 200 Stadtmarketingbeauftragten für zwei Tage im Kreis Kleve, und zwar vom 26. bis zum 28. September des nächsten Jahres, also 2021. Wir haben das Glück, diese Veranstaltung in Geldern durchführen zu können. Warum können?  Weil mit dem Hotel Seepark Janssen und in Kombination mit dem JaHotel zwei wunderbare Hotels an einem Standort sind, die so viele Stadtmarketingbeauftragte beherbergen können.

Antenne Niederrhein: Und heute schon bei Antenne Niederrhein, zwei Interviewpartner der Bundesvereinigung City und Stadtmarketing Deutschland?

Kuypers: Ja, heute Morgen haben wir die Vorsitzende der Bundesvereinigung, Frau Bernadette Spinnen zu Gast. Sie ist Bundesvorsitzende und Sprecherin der Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing Deutschland, kurz bcsd. Und Frau Spinnen ist, das soll auch gesagt werden, die Stadtmarketingbeauftragte der Stadt Münster. Und sie hat Jürgen Block mitgebracht, er ist Geschäftsführer der Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing Deutschland und im Tagesgeschäft für die bcsd tätig und hat seinen Dienstsitz in Berlin.

Interview Jan Düngel, Redakteur bei Antenne Niederrhein und Jürgen Block, Geschäftsführer der Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing Deutschland:

Antenne Niederrhein: Herr Block, Sie sind ein Stadtoptimist, kann man das so sagen?

Block: Das kann man auf jeden Fall so sagen. Dieser Titel ist natürlich auch ganz bewusst gewählt, denn aktuell kann schon das Gefühl entstehen, dass unsere Innenstädte aussterben und es irgendwelcher Superhelden bedürfe, die kommen, und unsere Städte wieder attraktiv machen. Ich glaube, so weit ist es nicht. Ich glaube, dass wir mit gezielten Aktionen, Strategien und Maßnahmen sicherlich auch dafür sorgen können, dass die deutschen Städte auch in Zukunft attraktiv bleiben.

Antenne Niederrhein: Welche Gründe gibt es denn, in die Innenstädte zu gehen, außer einzukaufen?

Block: Die Innenstadt bietet ja weit mehr als Einkaufsmöglichkeiten. Neben dem Einzelhandel findet man dort Gastronomie, Dienstleistungen, etwa Ärzte, aber auch noch vereinzelt Handwerksbetriebe, die wir ja über Jahrzehnte aus der Innenstadt rausgedrängt haben. Da hat sich bei vielen die Produktionsweise verändert, so dass diese nun wesentlich emissionsfreier in der Innenstadt produzieren, reparieren und verkaufen können. Dadurch wird eine neue Attraktivität geschaffen.

Auch das Konsumverhalten verändert sich: Die Leute wollen in weiten Teilen der Bevölkerung nicht noch das 25. T-Shirt holen, die 10. Jeanshose kaufen. Man achtet mehr auf Regionalität, man achtet mehr auf Qualität und vor allen Dingen darauf, ob einem das Einkaufen und der Aufenthalt in der Innenstadt auch Spaß macht. Und dazu gehört der Service aus dem Einzelhandel genauso wie der Besuch im Museum, der Besuch einer Kulturveranstaltung oder auch die Möglichkeit sich auf dem Marktplatz niederzulassen und einfach das schöne Wetter zu genießen und die Menschen in der Umgebung anzusehen.

Antenne Niederrhein: Wie hilft das Stadtmarketing den Unternehmen beispielsweise hier im Kreis Kleve, wie kann es denen unter die Arme greifen?

Block: Nicht nur für den Einzelhandel, sondern auch für die bereits angesprochenen unterschiedlichen Akteure, die in der Innenstadt Gewerbe betreiben, wird es in Zukunft noch wichtiger, stärker zusammenzuarbeiten. Ich glaube, man hat das jetzt in diesem Jahr sehr intensiv beobachten können, als der Lockdown wieder geöffnet wurde. Zunächst konnte man nur im kleinflächigen Handel einkaufen, dann kamen die großen Handelsflächen wieder dazu, dann die Gastronomie. Die Frequenzen sind in dem Moment hochgegangen, als wieder verschiedene Attraktionen angeboten wurden.

Das heißt, einzeln zu handeln, wie Einzelhändler es in der Vergangenheit oftmals noch getan haben, ist sicherlich wichtig für den eigenen Laden, aber für die Gemeinschaft, das Image der Innenstadt, ist es umso wichtiger, dass die Akteure, die dort aktiv sind, auch gemeinsam handeln.  

Da kann das Stadtmarketing eine Menge tun. Es kann Koordinator sein von Aktionen und Kommunikation, um Kampagnen gemeinsam zu betreiben. Das wäre für mich die Aufgabe des Stadtmarketings: Die Leute zusammenbringen und Angebote gemeinsam bewerben.

Antenne Niederrhein: Was wir in den Innenstädten im Kreis Kleve brauchen, sind Geschäfte mit Alleinstellungsmerkmal und mit Persönlichkeit? 

Block: Genau, der Einkauf ist auch eine Möglichkeit des sozialen Austauschs. Wenn Sie im Einzelhandel unterwegs sind, haben Sie in der Regel Kontakt mit Verkäufern und Händlern. Da spielt die menschliche Komponente, eine sehr große Rolle. Diesen Service darf man nicht noch weiter beschneiden. Das ist meiner Meinung nach auch ein Fehler, den große Warenhausketten, die jetzt in Schwierigkeiten sind, gemacht haben. Sie haben ihren Service immer weiter eingestellt. Eigentlich wäre der gegenteilige Weg richtig gewesen.

Man muss sich vom Internet abheben. Und wie kann ich mich vom Internet abheben? Indem ich meinen Service stärke, indem ich das Haptische in den Vordergrund stelle und gleichzeitig meinem Kunden das Gefühl gebe, dass er mir wichtig ist. Ich glaube, wenn der Handel das tut, dann muss man sich um ihn auch keine dunklen Gedanken machen.

Interview Jan Düngel, Redakteur bei Antenne Niederrhein und Bernadette Spinnen, Bundesvorsitzende der Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing Deutschland:

Antenne Niederrhein: Frau Spinnen, wie ist es denn generell um die Innenstädte, auch bei uns hier im Kreis Kleve bestellt?

Spinnen: Wir sprechen ja schon seit Längerem und nach Corona erst recht davon, dass wir alle gut daran tun, ein besonderes Augenmerk auf unsere Innenstädte zu richten. Nicht nur, weil sie doch die Herzen der Städte sind. Man kann an ihnen genau sehen, wie es der Stadt insgesamt geht. Wir brauchen starke Innenstädte.

Wir haben gesehen, dass der Wandel im Handel doch relativ dramatisch ist. Seit 2015 gibt es eigentlich schon einen Rückgang an Einzelhandelsflächen, weil der Markt wirklich gesättigt ist. Mit anderen Worten: Wir haben eigentlich an vielen Stellen auch zu viel Fläche. Es gibt keine neuen Einkaufszentren, also Shoppingmalls, mehr. Das sind alles Zeichen, dass sich im Handel etwas verändert und ich glaube jeder von uns weiß das auch, weil wir eben anders einkaufen.

Die Veränderung der Menschen, dass sie andere Dinge wichtig finden, dass sie andere Wege manchmal bevorzugen, dass sie ihr Leben anders gestalten. Das ist das, was den Innenstädten zu schaffen macht, weil sie sich darauf eingestellt haben, mehr oder weniger ein Ort zu sein, an dem man einkauft. Und die Städte, die nur noch Orte sind, wo man einkauft, die haben jetzt ein Problem.

Antenne Niederrhein: Wie kommen diese Städte jetzt aus diesem Problem wieder raus?

Spinnen: Wir müssen uns eigentlich diese Frage zu den Innenstädten stellen: Welche tiefen, menschlichen Bedürfnisse können und müssen wir dort abholen? Und das ist eben nicht nur das Einkaufen.

Ein tiefes menschliches Bedürfnis, was wir dort befriedigen können, ist zum Beispiel, die Möglichkeit, sich mit etwas zu identifizieren. Ich möchte, dass diese Stadt mein Wohnzimmer und meine Heimat ist. Ich möchte mein Leben mit dieser Stadt verknüpfen.

Das heißt, ich will da Gäste treffen, ich will mich da aufhalten, ich will einfach so dahin gehen können und das Gefühl haben, ich bin willkommen. Ich kann dort etwas unternehmen, ich will gesund in einer Stadt sein, also brauche ich Grün, ich möchte vielleicht sogar in den öffentlichen Anlagen Sport machen. Ich muss das Gefühl haben, diese Stadt ist gesund, diese Stadt macht mich nicht irgendwie fertig oder ist gesundheitsschädlich, hat zu viel CO2-Emissionen. Das ganze Thema Nachhaltigkeit spielt da rein.

Und eine wirklich wichtige Frage ist auch: Wo bekommen wir künftig das Wissen her? Alle Leute suchen stets nach Wissen, da könnten Städte vielleicht auch mal überlegen, ob sie darauf eine Antwort haben. Schulen in der Innenstadt, andere Arten von Volkshochschulen entwickeln, man kann auch in Läden Weiterbildungen machen oder Yoga-Kurse und so weiter.

Da muss sich Vieles verändern. Die zentrale Frage ist dabei: Was wollen die Menschen? Wenn wir unsere Stadt so bauen, wie die Menschen sie haben möchten, dann haben wir eine gute Stadt.

Antenne Niederrhein: Frau Spinnen, wir haben gerade darüber gesprochen, wie eine Stadt attraktiv werden kann. Aber wie funktioniert das für alle Altersgruppen, also so, dass sich alle wohlfühlen?

Spinnen: Eine Innenstadt ist dann am besten, wenn sie möglichst alltäglich ist, also wenn ich in die Stadt gehe und das für mich Alltag ist und nicht etwas Besonderes. Etwas, das ich regelmäßig mache, weil ich zum Beispiel zum Markt gehe, einkaufe, weil ich einfach nur einen Kaffee trinken will oder weil ich da meinen Arzt finde. Oder aber, weil ich meinen Kursus in Yoga in der Innenstadt mache und weil auch meine Kinder vielleicht sogar ihre Kita mitten in der Stadt haben.

Es geht eigentlich um die Alltagstauglichkeit der Städte. Wenn wir die herstellen, dann haben wir auch eine gute Chance, dass möglichst viele unserer Bewohnerinnen und Bewohner sagen: „Das ist meine Stadt“.

Antenne Niederrhein: Wer ist denn derjenige, der da an der Stellschraube sitzt? Sind das die Einzelhändler selbst? Sind das auch die großen Ketten? Ist es die Politik? Sind es wir als Kunden?

Spinnen: Eine wichtige Gruppe haben Sie vergessen, das ist fast die Wichtigste: Die Immobilieneigentümer. Die sind im Moment sehr wichtig, aber natürlich auch alle anderen, die sie aufgezählt haben.

Es ist eben nicht so, dass eine Stadtverwaltung das mal so eben entscheiden kann, sondern dass wir als Bürgerinnen und Bürger, weil es unsere Stadt ist, uns allesamt anstrengen und sagen: „Ja, wir wollen eine Innenstadt haben, in der wir uns ganz normal und alltäglich bewegen, in der wir aber auch mal ein Fest feiern und viel draußen sitzen und in der wir alles Mögliche machen können“. Und zwar Junge, Alte und so divers wie es irgendwie geht. Das heißt, es ist unser gemeinsames Projekt.

Wenn das alle wollen und sagen: „Ich besuche meine Stadt“, dann ist das auch ein Türöffner für Ansiedlungen.

Und da kommen jetzt viele Akteure ins Spiel. Die Händler selbst müssen schauen: Passt mein Geschäft überhaupt noch in diese Zeit oder bietet das Netz bereits mein volles Sortiment? Es sind die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister und die Stadtplanerinnen und Stadtplaner in den Städten, die sich sehr genau angucken müssen: Wie wird die Stadt geplant – und was ist eigentlich auch zwischen den Häusern? Wie ist der öffentliche Raum gestaltet? Wie sehr strenge ich mich als Stadt dafür an? Und wieviel Geld gebe ich auch manchmal dafür aus, dass das gut aussieht und schön ist?

Ich muss allerdings auch vorsichtig sein, dass ich meinen Bürgerinnen und Bürgern nicht alles vorschreibe. Plätze, wo alles definiert ist – hier kannst du sitzen, hier musst du laufen, hier kannst du dies und hier kannst du das, aber was anderes auch nicht – das sind alle nicht diejenigen, die attraktiv sind.

Antenne Niederrhein: Das wäre jetzt auch meine Frage gewesen. Formt sich nicht so eine Innenstadt auch irgendwie selbst?

Spinnen: Ja, aber das muss ich städtebaulich erlauben. Jeder kennt diese Einkaufsstraßen – also nicht die hochwertigen, sondern die üblichen. Dann ist da eine Fußgängerzone und links und rechts alles voller Läden, die man alle nicht wirklich besuchen müsste, weil man das zum Beispiel im Netz machen kann. Das ist eine Stadt, in der sich überhaupt nichts tun wird. Wie sollte es auch, es ist ja kein Platz dafür da.

Das heißt, da muss man jetzt schon mit ein bisschen Gehirnschmalz ran gehen und Überlegungen anstellen. Da kommen die Eigentümer auch mit ins Spiel. Die müssen überlegen, welche Nutzung man beispielsweise in den Erdgeschossen hat. Wenn jetzt die Läden zum Beispiel schließen – das sind ja auch große Chancen. Wo packen wir denn mal stattdessen ein Café hin und setzen ein paar Stühle raus? Gibt es nicht doch an irgendeiner Stelle die Möglichkeit, diese Straße ein bisschen zu öffnen? Kann man in deren Mitte irgendwas machen, wo Leute sich einfach mal hinsetzen können?

Antenne Niederrhein: Eine Stadt sexy zu machen ist gar nicht so einfach. Vielen Dank für das Gespräch.

Bildunterschrift: So erlebten die Vorstände von Werberingen und Verkehrsvereinen die Vorsitzende der Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing Deutschland. Auf Einladung der Wirtschaftsförderung Kreis Kleve – finanziell getragen durch die Sparkassen und Volksbanken im Kreisgebiet – traf man sich in Geldern, um Bernadette Spinnen zu folgen. 

Bildunterschrift: Überzeugend, die Innenstädte liebend: Bernadette Spinnen, Vorsitzende der bcsd. 

Bildunterschrift: Freuten sich in Berlin über die für den Kreis Kleve vorgesehene Großveranstaltung: Jürgen Block als Geschäftsführer der Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing Deutschland (bcsd) und Kreis-Wirtschaftsförderer Hans-Josef Kuypers.